Torstraße vs. Kantstraße: Welche Straße ist die wahre Szene-Diva? - B.Z. – Die Stimme Berlins

2022-10-10 11:58:56 By : Mr. Admin Prettyhome

Torstraße und Kantstraße sind zwei Hauptschlagadern des Szenelebens in Berlin. Sie sind sich ähnlich – und doch ganz verschieden. Wir vergleichen beide nach Punkten. Und am Ende können Sie abstimmen.

Torstraße vs Kantstraße Mitte vs Charlottenburg. Der längst etablierte Emporkömmling und die zu neuer Frische erwachte Diva. Cool gegen Cool. Wir wagen den Vergleich nach Punkten. Jeweils 15 ausgewählte Läden, Bars, Restaurants, bewertet nach ihrem Chic, ihrem Witz, ihrer Originalität. Ein Straßen-Contest. Aber auch ein Spiel. Am Ende ziehen wir Bilanz. Und der Sieger ist – nun, zumindest eine Überraschung.

Soho House (Nr. 1) Würden wir das extrem auf Distinktion bedachte Soho House als cool bezeichnen, wären die Betreiber sicher not amused, denn natürlich möchte man cool sein, es aber so nicht in der Zeitung lesen. Also stufen wir es als nicht-so-supercool ein, was auch der Wahrheit entspricht. Man dürfte es dort gelangweilt zur Kenntnis nehmen. Coolness-Punkte: 5

Jünemann’s Pantoffeleck (Nr. 39) Als Klassiker gilt das Modell in Orange mit braunem Karomuster, als ziemlich verrückt jenes in glänzendem Violett. Irgendwo dazwischen liegt das Schotten-Design. Die Produktion der Kult-Schlappen geht eben, mittlerweile in vierter Generation, mit der Mode, wenn auch auf leisen Filzsohlen. Coolness-Punkte: 7

– – – (Ecke Rosa-Luxemburg-Straße) Wenn man den skypenden Vietnamesen im Innern des gläsernen Kiosks auch nur nach den Öffnungszeiten fragt, fuchtelt er abwehrend mit den Armen. Fragen unerwünscht. Dafür hilft er einem gern mit dem neuesten „Hustler“, der „Sex-Woche“, aber auch mit „AD“ oder „Psychologie Heute“ weiter, mit Zigaretten, Bier und Jägermeister ohnehin. Unverzichtbar. Coolness-Punkte: 7

Kaffee Burger (Nr. 60) Eine feste Burg des Mitte-Amüsements. Besonders wenn der Schriftsteller Wladimir Kaminer zu seiner „Russendisko“ einlädt, geht in der „Tanzwirtschaft“ krass die Post ab. Wer das Burger vor der Morgendämmerung verlässt, hat einfach nicht den Mitte-Swing. Coolness-Punkte: 8

Zebra – Sattler- & Täschnermeister (Nr. 88) Ein Betrieb, wie aus der Zeit gefallen – bis auf den schönen Zusatz „Since 1985“, dafür gibt es einen Coolness-Extrapunkt. Die Versicherung „Theoretisch können wir praktisch alles“ erdet das Geschäft wieder auf Nach-Wende-Niveau. Noch ein Bonuspunkt. Coolness-Punkte: 7

Horzon (Nr. 106) „Wir geben Ihrem Zuhause eine Zukunft“: ironisch, praktisch, gut – das Regalsystem „Modern“ des Berliner Schriftstellers und Möbelbauers Rafael Horzon gehört zum Must-have der Mitte-Menschen. Coolness-Punkte: 8

Café Gourmet & Waschsalon (Nr. 115) Würde Martin Scorsese seinen Klassiker „Taxi Driver“ noch einmal drehen und würde er ihn in Berlin spielen lassen, dann würde der Film hier beginnen. Links eine Batterie verchromter Waschmaschinen, rechts Chai-Tee und Croissants. Gratis dazu jede Menge Großstadtverlorenheit. Coolness-Punkte: 9

St. Oberholz (Nr. 120) Posten, googeln, Mails checken, vor allem aber kreativ sein, bis der Akku aufgibt. Das in die Jahre gekommene Wohnzimmer derer, die sich einst vollmundig „Digitale Boheme“ nannten. Mitgliedsausweis für dieses Café: weiß leuchtender Apfel auf silbrig grauem Untergrund. Nichtmitglieder werden misstrauisch beäugt. Coolness-Punkte: 8

Bon Bon (Nr. 133) Die kleine Theke aus grün-schwarzem Marmor gibt den Ton vor: Diese Bar will uns in exotische Gefilde entführen. Ein Panther aus schwerem Messing wacht über die schwülen Nächte. Coolness-Punkte: 6

VA Espresso Machines (Nr. 154) Die Espressomaschinen, die hier zum Verkauf stehen, sind quasi tiefergelegt. Es sind Brüh-Boliden, hochglanzpolierte Augenweiden für passionierte Baristas. Regelmäßig werden auch Schulungen angeboten – eine Art Überlebenstraining für die Mitte-Population. Coolness-Punkte: 7

Bandol sur Mer (Nr. 167) Gleich nach der Eröffnung wurde dieses winzige französische Restaurant im Techno-Look (geht schon!) erbarmungslos gehypt, kein Wunder, dass auch Brad Pitt vorbeischaute. Die Erregung hat sich gelegt, die Küche ist noch immer grundehrlich und gut. Coolness-Punkte: 7

Toca Rouge (Nr. 195) Von dem extrem durchgestylten Interieur (das auch schon mal Filmcrews anzieht) sollte man sich nicht abschrecken lassen, auch nicht von dem modischen Konzept „Fine Chinese Fusion Kitchen“. Was auf die Teller kommt, ist eine Küche jenseits von Süß-Sauer. Coolness-Punkte: 7

Design-Panoptikum (Nr. 201) Das „Surreale Museum für industrielle Objekte“ ist eine Mischung aus dem Labor eines Wilhelm Conrad Röntgen und der Schreckenskammer eines Dr. Frankenstein. Mit den hier zusammengetragenen Apparaten möchte man freiwillig nicht nähere Bekanntschaft schließen. Hoher Gruselfaktor. Coolness-Punkte: 8

Kiezmarkt (Nr. 206) „So frisch, so nah“: Hier lagert griffbereit auf knappem Raum alles, was den Mitte-Hipster am Leben hält: frische Kräuter, kalte Buletten, Tiefkühlpizza, Vollkorn-Müsli, Echter Nordhäuser Korn. Mehr braucht’s nicht, mehr gibt’s nicht. Coolness-Punkte: 6

Bravo Bar (Nr. 230) Nachtmenschen halten diesen Ort für den besten seiner Art in der Straße. Im schwarz verhängten Schaufenster ein großer goldener Luftballon in Form eines Herzens, drinnen amüsierwilliges Club-Volk und wechselnde DJs an den Turntables. Motto: „Komm vorbei, lass dich gehen“. Coolness-Punkte: 9

Bier’s Mini 7 (Nr. 7) „Hier nicht stehen!“ „Am Tisch warten!“ „Drei Filme mit Lotte Pulver, na?!“ Der Mann hinter der Theke geht mit seinen Gästen sehr pädagogisch um. Zu Currywurst und Fritten rot-weiß bekommt man hier bis zwei Uhr morgens eine erhöhte Dosis gefürchteter Berliner Freundlichkeit serviert. Nachtfalken nehmen’s gelassen. Coolness-Punkte: 8

Ullrich Verbrauchermarkt (Nr. 7) Frische Ananas, frischer Hackepeter, Cognac für 229 Euro, Sicherheitsnadeln, eine ermutigende Auswahl an Kondomen – geöffnet bis 23 Uhr. Paris hatte seine Hallen, Berlin hat diesen Supermarkt. Der Bauch der Stadt, na ja, wenigstens ein bisschen. Coolness-Punkte: 6

Delphi-Filmpalast am Zoo (Nr. 12A) Keine Platzkarten, kein Schampus, keine Kanapees, nicht einmal Popcorn. Nur Film auf einer großen Leinwand. Reicht völlig. Coolness-Punkte: 9

C. Adolph (Savignyplatz 3) Wie zielsicher die Verkäufer die dunkelgrün gestrichenen Holzschubladen aufziehen! Beschläge, Haken, Schellen, Täckse, Abstandshalter, Scharniere: Die Welt der Eisenwaren ist unendlich, Adolph hat alles, versprochen. Auf Wunsch auch sieben von Hand abgezählte Schrauben. Coolness-Punkte: 9

Madame Ngo (Nr. 30) Was Kuchi-Chef The Duc Ngo anpackt, hat einen eingebauten Coolness-Faktor. Die drei riesigen Suppentöpfe im Schaufenster dieser vietnamesisch-französischen Brasserie stehen für Authentizität. Nie war sie so wertvoll wie heute. Coolness-Punkte: 7

Lon-Men’s Noodle House (Nr. 33) Eng, stickig, hektisch – anders kann es in einer brodelnden Garküche in den Straßen Taiwans auch nicht zugehen. Gerade darum schauen Schaubühnen-Berserker Lars Eidinger oder Chefdirigent Sir Simon Rattle gern vorbei – und alle Hipster westlich des Zoologischen Gartens. Übercool. Coolness-Punkte: 10

Harry Lehmann – Parfum nach Gewicht (Nr. 106) Links die mit Fliederessenz, Eau de Berlin, Reinem Kölnisch Wasser gefüllten Glaszylinder, rechts ein Raum voll feinster Plastikblumen: eine ans Surreale grenzende Kombination. Ein Treibhaus der üppigsten Künstlichkeit. Raubt einem fast die Sinne. Coolness-Punkte: 7

Mezem – mediterrane Delikatessen (Nr. 124) Viel zu lecker, viel zu liebenswürdig, viel zu viel. Ein großer Teller, gehäuft mit verschiedenen Eintöpfen, die in den Stahlpfannen den Tag über vor sich hin köcheln, dazu Zaziki, Hummus, Tarama – „darf es noch ein Löffel mehr sein?“ Für bescheidene acht Euro. Der beste Imbiss der Straße. Coolness-Punkte: 10

Kant-Garagen (Nr. 126/127) Warten oben nicht der Horch, der Adler, der Maybach, um lässig über die beiden gegenläufigen Wendelrampen hinunterzurollen? In diesem der Mobilität und der Moderne geweihten Palast aus dem Jahr 1930 strahlt noch originale Bauhaus-Eleganz, man muss sie nur erspüren in all dem Verfall. Dann aber vibrieren plötzlich die verrückten Roaring Twenties unter den Füßen. An der Tankstelle im Erdgeschoss treffen sich Benzin-Aficionados. Kult, keine Frage. Coolness-Punkte: 10

– – – (Nr. 135/136) Die großen Fenster im Erdgeschoss sind von innen zugeklebt. Kein Name, kein Hinweis, keine Ankündigung. An der verschlossenen Tür steht: „You say you want moderation / and you want to change the world. J.W.“ Rätselhaft. Es heißt, hier eröffne bald eine Bar, in der es sehr dunkel und sehr glamourös zugehen soll. Das gesamte Gebäude ist Beton-Brutalismus vom Feinsten und steht unter Denkmalschutz. High Expectations. Coolness-Punkte: 8

Der Kuchenladen (Nr. 138) Italienischer Strandcafé-Chic der Sechzigerjahre. „Azzurro“ von Adriano Celentano. Die Neue Trutschigkeit. Tortenkitsch direkt aus der Zuckergussgießerei. Liebe auf den ersten Biss. Coolness-Punkte: 8

Schwarzes Café (Nr. 148) Durchgehend geöffnet, nur dienstags, zwischen 3 und 10 Uhr, gönnt man sich eine Ruhepause. Frühstück rund um die Uhr, eines heißt konsequenterweise „Exzess“. Ein Ort, um die Welt endlich einmal philosophisch zu durchdringen oder gleich neu zu erschaffen – bis der Morgen dämmert. Coolness-Punkte: 8

Camera Work (Nr. 149) Zwei Etagen mit zeitgenössischer Fotokunst, alles zu kaufen, es ist schließlich eine Galerie und kein Museum. Allerdings nicht selten zu Preisen, zu denen man schon einen kleinen flämischen Meister bekäme. Besonders cool, wenn man es sich leisten kann. Coolness-Punkte: 8

Paris-Bar (Nr. 152) Immer noch voll, immer noch Schickimicki („Du, ich lebe ja jetzt ganz auf Mallorca“), immer noch der große Auftritt. Am schönsten aber gebratene Gänsestopfleber mit einem Glas Weißwein zur blauen Stunde, vor dem beachtlichen Andrang. Eine Institution, schwer in die Jahre gekommen. Noch cool? Schon wieder cool? Die schwierigste Frage. Coolness-Punkte: 8

Bar Zentral (Lotte-Lenya-Bogen 551) (Lotte-Lenya-Bogen 551) „Disappear here“ glimmt in blauem Neonlicht über der Theke. Ja, hier findet man ein Loch in der Zeit, eine Leerstelle im Raum. Abschied von der Welt da draußen. Keine aufgedrehten Teenager. Keine Bridge-and-Tunnel-People (vulgo: Umland). Kein Bling-Bling. Dafür der Hauch einer Zitrone über dem Martini. Bereits ab 17 Uhr. Perfekt. Coolness-Punkte: 9

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