2016 war für viele Designer das Jahr des Terrazzo

2022-10-08 17:38:40 By : Ms. Coco Li

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Die Designagentur Femmes Régionales kreierte für Normann Copenhagen ein 200-teiliges Schreibwarenset. Bild: Jeppe Sørensen

Der gefleckte Boden ist überall – es merkt nur kaum mehr jemand. Junge Designer wollen das ändern.

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Z u jedem guten Baustoff gehört eine gute Geschichte. Die von Terrazzo geht so: Im 15. Jahrhundert kamen venezianische Bauherren auf die Idee, statt großflächiger Marmorscheiben Reste zu verwenden, die sie mit Ton mischten und auf den Boden gossen. Anschließend schliffen und polierten sie die Fläche, bis ein mosaikartiger Belag entstand. Das war nicht nur billiger, es sah auch gut aus. So gut, dass irgendwann viele weitere sogenannte „Zuschlagstoffe“ dazukamen: Kalkstein, Dolomit, Granitsplitt, Glas, sogar Metall. Schöne Geschichte, stimmt aber nur so halb. Wahrscheinlich gab es Terrazzo schon in der Antike; selbst in kleinen Grenzposten der Römer hat man Terrazzoboden gefunden. Aber es ist ja auch nur eine Geschichte.

Unbestritten ist, dass der Terrazzoboden in Deutschland seine große Blüte zur Gründerzeit erlebte und sich im 20. Jahrhundert immer weiter ausbreitete, weil er nicht nur ansehnlich, sondern auch günstig, ausdauernd, wärmeleitend und belastbar war und ist. Er ist – da gibt es ein schönes deutsches Wort – „gebrauchstauglicher“ als andere Böden. Selbst 100 Jahre alter Terrazzoboden sieht heute, abgeschliffen und poliert, wie neu aus. Kaum verwunderlich, dass auch das Nachkriegsdeutschland auf Terrazzo wieder aufgebaut wurde, mit noch günstigeren, industriell vorgefertigten Terrazzoplatten. Doch mit der Massenproduktion kam auch sein Niedergang: Einst schick, war er bald als schäbig verschrien, und der Billig-Terrazzo wurde unter noch billigeren Bodenbelägen versteckt.

Wie das aber nun mal so ist mit alten Dingen: Irgendwann kommen die Jungen und kramen sie wieder raus. „Terrazzo ist zu schade, um nur auf viel beanspruchten Flächen verbaut zu werden“, sagt Stéphane Halmaï-Voisard. Der Kanadier hat nach seinem Studium in Lausanne 2011 das „Terrazzo Project“ ins Leben gerufen, um den alten Belag zu neuem Glanz zu führen. „Jeder kennt Terrazzo vom Sehen, aber kaum jemand seinen Namen – und noch weniger Menschen wissen, wie er hergestellt wird.“ Vor fünf Jahren fing er mit einem kleinen Familienunternehmen im Veneto an, anderen, frischen Terrazzo herzustellen. Heute arbeitet er mit Betrieben in Spanien, Italien und der Schweiz zusammen. „Es war nicht so leicht, die richtigen Leute zu finden. Aber wir wussten, dass es an der Zeit war, Terrazzo im zeitgenössischen Design neu zu etablieren.“

Designer wie Architekten sind fasziniert von der unbändigen Natur des menschengemachten Materials. Wurde Terrazzo früher häufig in Zement gegossen, ist Epoxidharz heute das Mittel der Wahl; der Boden soll nicht matt sein, sondern glänzen. Die Crux: Wer wie Stéphane Halmaï-Voisard jetzt noch Möbel aus Terrazzo bauen will, muss Gewicht reduzieren. „Für kleinere und nicht strukturrelevante Stücke nutzen wir Schaumstoff mit hoher Dichte und einem Wabenkern.“ Der Designer spart so gleich die Hälfte des Gewichts ein.

„Terrazzo ist ein subtiles, ästhetisches Material mit sehr guter Haptik“, sagt der Gestalter. „Die vielen Farb- und Materialvariationen, diese ihm innewohnende Wärme ist es, die Acrylsteinen wie Corian oder anderen terrazzoähnlichen Oberflächen fehlt.“ Halmaï-Voisard nutzt nicht nur Stein, sondern auch venezianisches Muranoglas. Damit erinnern die Möbel seines „Terrazzo Project“ an den „Nara Table“, den Shiro Kuramata 1983 für seinen Freund Ettore Sottsass und dessen Memphis-Gruppe entwarf. Als Zuschlagmaterial verwendete der Japaner Glassplitter, das Material nannte er Star Piece, und er gestaltete damit auch einen Laden für den Modedesigner Issey Miyake. „Designer wie Shiro Kuramata und Nathalie Du Pasquier haben Terrazzo später auch in gedruckter und gemalter Form interpretiert“, sagt Halmaï-Voisard. „Die Mode hat die grafische Qualität von Terrazzo dann vor einigen Jahren wiederentdeckt, und auch Designer erinnerten sich wieder an das, was da mal war.“

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