Michelangelos David-Statue: Symbol mündiger Bürger
So hoch wie ein Doppeldecker-Bus, fünf Tonnen schwer: Der Kerl ist schon ein Prachtexemplar. Und ein echt harter Typ dazu: David, Michelangelos Meisterwerk, ist aus einem Marmorblock gehauen, am Stück übrigens, was damals eigentlich als unmachbar galt. An dem Riesenbrocken aus Carrara hatte sich 1464 schon der Bildhauer Agostino di Duccio versucht, er scheiterte ebenso wie Antonio Rossellino, der 1476 das Marmor-Trumm in Angriff nahm.
Am 13. September 1501 machte sich dann das Multitalent Michelangelo an die Arbeit. 27 Jahre alt war der Starkünstler der Renaissance damals, heimste stolze 400 Dukaten als Vorschuss ein und präsentierte drei Jahre später, pünktlich zur Aufstellung am 8. September 1504 in Florenz, seinen mythischen Helden in der legendär laxen Pose.
Die galt bisher als regelrechtes Schulbeispiel für die so genannte Standbein-Spielbein-Stellung aus der griechischen Antike: ein Bein stramm gestreckt, den Hintern leicht nach außen gereckt, Oberkörper lässig angebogen, zweites Bein nach außen gekehrt. "Diese Stellung verdeutlicht Spannung und Dynamik", schwärmte Uwe Schneede, Leiter der Hamburger Kunsthalle gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Der Typ ist "ein körperliches Wrack", unkte Alan Herdman, Haltungs- und Bewegungstrainer aus England, heute in der "Times".
Herdmann zufolge ist der Florentiner Schönling alles andere als das in Fachkreisen gerühmte Sinnbild körperlicher Perfektion. "Er hat die Beweglichkeit einer 500 Jahre alten Marmorstatue", folgerte der Experte augenzwinkernd und erklärte, die Standbein-Spielbein-Pose sei ergonomisch ein Klassiker - und zwar für schwere Haltungsschäden, Rückenschmerzen und ruinierte Kniegelenke inklusive. "Versuchen Sie sich im Badezimmer mal so hinzustellen, und dann schauen Sie, wie sich das anfühlt: gar nicht gut."
Renaissance-Genie Michelangelo: Ein ganzer Mann aus einem Block
Doch dem Mann kann geholfen werden: Schwach entwickelte Gesäßmuskulatur, falsche Beckenstellung und Jahrhunderte lange Fehlhaltung lassen sich mit ausdauerndem Bewegungstraining in den Griff kriegen. Schließlich habe David gute Beine, so Herdman, und die stehen - wer wollte es leugnen - am Anfang jeder guten Figur.
Kunstgeschichtler sehen Davids Positur allerdings weniger im Lichte körperlicher Ertüchtigung als in politisch-kultureller Perspektive. Denn der Marmor-Beau war das ideale Symbol für die Florentiner Bürger zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Als mündige Mitglieder der jungen Republik wollten sie sich von dem mächtigen Herrscher-Clan der Medici nichts vorschreiben lassen. Die stadtherrschaftlichen Dynasten galten als Goliath, den der florentinische David bezwingen sollte. Politisch also machte David eine glänzende Figur - Standbein hin, Spielbein her.