In "Abseits der Praxis" erzählen wir von Zahnärzten, die einen etwas anderen Weg eingeschlagen haben, sei es direkt nach dem Studium oder erst nach Jahren als niedergelassener Zahnarzt. Wir erzählen von Industrieberufen, künstlerischer Selbstfindung, humanitären Einsätzen, Aussteigern, Politikerkarrieren und Jobs in Industrie, Forschung und Verwaltung. Einige unserer Protagonisten haben sich sehr weit vom Ursprungsberuf entfernt, andere haben nur wenig verändert, um ein wenig Abwechslung in ihren Praxisalltag zu bringen. Fest steht so oder so: Auch "Abseits der Praxis" warten viele spannende Aufgaben.
"Ich bin keine Freundin des Kaffeekränzchens", sagt Beate Slominski. Wer bei ihr im Institut für Wissenschaft und Kultur zu Gast ist, den erwartet garantiert kein trockenes Gebäck zu koffeinhaltigen Getränken.
Schon eher bekommt er eine Geschichte des Schauspielers Günter Lamprecht aufgetischt, der aus seiner Biografie "Und wehmütig bin ich immer noch" vorliest. Oder einen Vortrag des Kulturwissenschaftlers Thomas Macho, in dem er über "Vorbilder" nachdenkt. Oder – neuerdings – auch eine Lesung aus Slominskis eigenem Buch “Das Orale“, das dieses Jahr im Wilhelm Fink Verlag erschienen ist.
"Das Orale - Die Mundhöhle in Kulturgeschichte und Zahnmedizin" heißt dieser dicke, großzügig bebilderte Band, den sie gemeinsam mit dem Kulturwissenschaftler Hartmut Böhme herausgegeben hat. Er versammelt alles, was es an Kulturschätzen aus der bislang eher vernachlässigten Zone zwischen Zunge, Zahn und Rachen so zu heben gab. Die unterschiedlichen Disziplinen lassen sich überraschend gut miteinander verzahnen(!), genau so, wie es sich auch Slominskis Institut für "Wissenschaft und Kultur" auf die Fahnen geschrieben hat.
Alles begann mit einem Raum. Die junge Zahnärztin Beate Slominski hatte ihre Praxis in der Ludwigkirchstraße 14 in Berlin-Wilmersdorf vor gar nicht allzu langer Zeit bezogen, da kam der Soziologe und Berliner Intellektuelle Nicolaus Sombart zu ihr in die Behandlung – ihm habe das Praxisschild so gut gefallen, erklärte er ihr auf Ihre Nachfrage.
Nicolaus Sombart, Sohn des bekannten Wirtschaftssoziologen Werner Sombart, verfügte über einen gewissen Namen in der Berliner Gesellschaft. Und so erfuhr Slominski, was sich bei ihm in der Ludwigkirchstraße 10a, also nur wenige Häuser von ihrer eigenen Praxis entfernt, so alles zutrug: Dort nämlich lud Sombart regelmäßig bekannte Persönlichkeiten der Geistes- und Kulturszene zum Jour Fixe. Es kamen allerhand Schriftsteller, Geisteswissenschaftler, Kunstsammler und Künstler – und bald auch Beate Slominski.
Slominski schwärmt noch heute vom besonderen Charme des Treffpunkts: "Das war ja Gründerzeit pur, dunkles Holz, Säulen aus Marmor." Als Sombart starb, beschloss die Zahnärztin, die Räume in der Ludwigkirchstraße 10a zu übernehmen. Es wäre schade gewesen, wenn diese Räume "totsaniert" und die einzigartige Atmosphäre zerstört worden wäre, sagt sie. "Wir haben in den Räumen sogar noch Originaltapeten aus dem Jahr 1912 gefunden."
Dennoch war es Zeit für ein paar Schönheitsreparaturen, es war ja lange nichts mehr gemacht worden in den Räumen – außer viel geraucht und noch mehr geredet. Zusammen mit einem osteuropäischen Künstler kreierte sie eine Wandtapete mit unterschiedlich breiten Streifen, die sich lesen lassen wie ein Barcode. Hielte man einen Scanner darüber, würden an den Wänden zum Beispiel die Begriffe Glaube, Liebe und Hoffnung zu Tage treten.
Nun waren da also diese Räume. Und von da aus war es nicht mehr weit zu einer neuen Aufgabe. Wieder knüpfte Slominski an die Tradition an, ging jedoch ihre eigenen Wege: Sie fing an, zu regelmäßigen Kulturabenden zu laden und schuf dabei vor allem einen Treffpunkt, an dem Naturwissenschaftler, Mediziner und Geisteswissenschaftler zusammenkommen können. "Das Interdisziplinäre ist mir ganz wichtig", sagt sie. "Denn ich bin überzeugt, dass nur so wirklich Neues entsteht."
2009 fiel ihr das Buch "Fetischismus und Kultur" von Hartmut Böhme in die Hände. Sie las es mit großer Begeisterung. "Für mich immer noch eines der besten Bücher überhaupt", sagt sie. Sie lud den Berliner Professor in ihren Salon. Die beiden verstanden sich auf Anhieb. Und gründeten das Institut für Wissenschaft und Kultur, das die beiden Ansätze – also die praktische Wissenschaft der Zahnmedizinerin auf der einen, Kulturvermittlung auf der anderen Seite – von da an in einen konkreten Ort zusammenführte: im sogenannten "SALON T-Kult".
Natürlich finden in der Ludwigkirchstraße 10a auch ganz normale, zahnmedizinische Fortbildungen statt, Kurse, für die Teilnehmer bezahlen und sich im Gegenzug auch Fortbildungspunkte anrechnen lassen dürfen. Slominski ist aber wichtig, dass das Programm über das übliche Fortbildungsangebot hinausgeht. Und dass auch die Kollegen vom Fach eine Chance erhalten, zusätzliche Workshops zu buchen und immer wieder über die Grenzen ihres eigenen Bereichs hinausgehen.
Aus der interdisziplinären Zusammenarbeit mit Hartmut Böhme und zahlreichen weiteren Kollegen ist dann die Buchidee entstanden. Dafür musste Slominski eine zeitlang ganz schön hin- und herwetzen zwischen Zahnarztpraxis und Kulturinstitut. Denn auf einmal war mit dem Fink Verlag nicht nur ein renommiertes Haus gefunden, sondern plötzlich stand auch ein attraktiver Interviewtermin bei der Leipziger Buchmesse in Aussicht. "Das hat uns dann so motiviert, dass wir das ganze Projekt in einem halben Jahr durchgezogen haben", sagt Slominski. "Weihnachten und Silvester mussten wir dafür ausfallen lassen."
"Vielleicht bin ich auch keine so ganz typische Zahnärztin", überlegt Slominski weiter. Um dann gleich zu ergänzen: "Wenn es das überhaupt noch gibt." Heute seien ja eigentlich alle Berufe viel offener und bunter besetzt. Es gebe das ja gar nicht mehr, die typische Journalistin, die typische Zahnärztin, die typische Professorin – oder?
Slominski ist generell keine gewöhnliche Person. Zum einen verblüfft sie ihre Gesprächspartner immer wieder mit ihrer offenen, lebendigen Art. "Als Zahnärztin bin ich sehr gründlich und bedacht", sagt sie. "Aber ich bin mutig, wenn es darum geht, Ideen umzusetzen." An ihrem Beruf liebe sie vor allem die direkte Arbeit mit dem Patienten und das Künstlerisch-Handwerkliche. "Da habe ich vielleicht ein kleines Talent ", sagt sie bescheiden.
Slominski hat viele Leserbriefe bekommen, über die sie sich sehr gefreut hat. Besonders in Erinnerung geblieben ist ihr aber, wie sie das Buch auch an ihre Helferinnen in der Praxis verteilt hat. Am nächsten Tag sei eine der Helferinnen zu ihr gekommen, ein wenig übermüdet. Sie habe das Buch auf dem Küchentisch liegen lassen, wo ihr Mann es entdeckt und zum Lesen mit ins Bett genommen habe. Und dort las er sich dann fest bei brennender Nachttischlampe, bis tief in die Nacht.
Oft kommen auch Kollegen zu ihr, um zu einer besonders gelungenen Veranstaltungen oder eben zu dem eigenen Buch zu gratulieren, und viele sagen dann: "Mensch, so was hätte ich ja auch gerne gemacht." Auf der anderen Seite könnten Arbeit und Alltagstrott einen aber auch ganz schön auffressen. "Die Energie, die kommt beim Projekt und dann bin ich sofort wieder voll bei der Sache!"
In "Abseits der Praxis" erzählen wir von Zahnärzten, die einen etwas anderen Weg eingeschlagen haben – sei es direkt nach dem Studium oder erst nach Jahren als niedergelassener Zahnarzt.
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